Muss ein erkrankter Arbeitnehmer auf Anordnung seines Vorgesetzten im Betrieb zum Personalgespräch erscheinen oder telefonisch zu einem solchen Personalgespräch zur Verfügung stehen? Auf den ersten Blick scheint diese Frage einfach zu beantworten zu sein, und landläufig besteht auch die Meinung, dass Arbeitsunfähigkeit auch die Verpflichtung zur Teilnahme am Personalgespräch ausschließt, da ein solches Personalgespräch ja letztlich auch „Arbeit“ ist. Diese Auffassung ist grundsätzlich auch richtig. Der Arbeitnehmer ist immer dann, wenn ein solches Personalgespräch auch tatsächlich ein Personalgespräch ist (also den Inhalt oder die Lage des Arbeitsverhältnisses betrifft) wenigstens aus einer so genannten Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag zur Teilnahme verpflichtet. Er muss dies nicht tun, wenn er arbeitsunfähig erkrankt ist. Dies gilt aber nicht uneingeschränkt. Immerhin besteht auch während der Arbeitsunfähigkeit ein Arbeitsverhältnis, das Pflichten zwischen den Parteien begründet. Der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit soll – verpflichten für beide Seiten – die Gesundheit des Arbeitnehmers wiederherstellen und es darf nichts veranlasst werden, was dies verhindern kann. D.h., dass ein Arbeitnehmer auch während der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich für ein Telefonat mit seinem Arbeitgeber, das sich auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bezieht, zur Verfügung stehen.
Es kann auch Situationen geben, bei denen der erkrankter Arbeitnehmer tatsächlich zum Personalgespräch oder zur Vornahme einer einzelnen Tätigkeit im Betrieb erscheinen muss. Voraussetzung ist allerdings immer, dass dies aus Sicht des Arbeitgebers zwingend notwendig ist, der andernfalls erhebliche Schäden entstehen, und der Grundsatz, dass hierdurch die Gesundung des Arbeitnehmers nicht gefährdet ist, nicht verletzt ist. Dabei kommt es immer auf die einzelnen Verhältnisse an. So kann ein Arbeitnehmer, der erkältet ist, sicherlich eine zwingend notwendige Auskunft für seine Vertretung telefonisch erteilen, wenn andere, angemessene Möglichkeiten, eine solche Information zu erlangen, für den Arbeitgeber nicht zur Verfügung stehen und der Arbeitsablauf andernfalls erheblich beeinträchtigt ist. Ich halte sogar für angemessen, dass der Arbeitnehmer solche Informationen ohne Aufforderung durch den Arbeitgeber erteilt, wenn es offensichtlich ist, dass diese Information für die Vertretung oder den reibungslosen betrieblichen Ablauf notwendig ist. Insoweit kann der Arbeitgeber in Ausnahmefällen auch ein Personalgespräch oder die kurzzeitige Anwesenheit im Betrieb anordnen, wenn andernfalls schwere Schäden drohen und andere Möglichkeiten, dies zu verhindern nicht zur Verfügung stehen. Dies gilt umso mehr, je qualifizierter oder spezieller das Know-how des erkrankten Arbeitnehmers ist.
Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph Strieder, Solingen Leverkusen (www.fachanwalt-x-arbeitsrecht.de)