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Krankheitsbedingte Kündigung ohne beM – schlecht –

Krankheitsbedingte Kündigung ohne vorherige Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (beM) gemäß § 84 II SGB IX unwirksam .

flascheleerDass eine krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber unwirksam sein kann, wenn der Arbeitnehmer langdauernd krank war, und der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne zuvor ein betriebliches Eingliederungsmanagement (beM) durchzuführen, hat das BAG erneut in einer Entscheidung vom 13.5.2015, AZ: 2 AZR 565/14 klargestellt. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer personenbedingten Kündigung ist die Durchführung des beM Verfahrens zwar nicht. Kann aber der Arbeitgeber, der kein bEM durchführte, in einem Kündigungsschutzverfahren, in dem der Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit (fehlende soziale Rechtfertigung) der Kündigung feststellen lassen will, nicht darlegen, dass die Durchführung eines beM Verfahrens unter keinem denkbaren Gesichtspunkt den Arbeitsplatz hätte erhalten können, also objektiv nutzlos gewesen wäre, fehlt es an der Verhältnismäßigkeit der personenbedingten Kündigung. Die Anforderungen an diese Darlegung sind sehr hoch.

Voraussetzung einer krankheitbedingten Kündigung

Richtig verstehen lässt sich diese Entscheidung nur, wenn man sich kurz die Grundzüge der Rechtmäßigkeit einer Kündigung wegen Krankheit vor Augen hält. Eine krankheitsbedingte Kündigung setzt voraus, dass auch zukünftig damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer wegen seiner Krankheit nicht mehr arbeiten kann. Eine sehr lange Arbeitsunfähigkeit kann dies indizieren. Voraussetzung ist aber weiter, dass durch die (zukünftige) Arbeitsunfähigkeit betriebliche Interessen beträchtlich sind, was nicht der Fall ist, wenn zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer in den nächsten 24 Monaten seit Erhalt der Kündigung wieder arbeitsfähig wird. Das Bundesarbeitsgericht führt dazu aus, dass es einem Arbeitnehmer zuzumuten ist, über diesen Zeitraum einer Ersatzkraft, gegebenenfalls befristet, einzustellen. Lohnansprüche fallen in der Regel in der Zeit einer solch langen Krankheit ohnehin nicht mehr an. Vielmehr wird der Arbeitnehmer Krankengeld erhalten oder von der Krankenkasse ausgesteuert sein.

beM wichtig für Verhältnismäßigkeit der Kündigung

Auch wenn die ersten beiden Voraussetzungen gegeben sind, muss sich die Kündigung des Arbeitsverhältnisses als verhältnismäßig herausstellen, es darf kein milderes Mittel als die Kündigung in Betracht kommen.

Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und IT-Recht C. Strieder
Fachanwalt für Arbeitsrecht C. Strieder

Steht ein anderer, gegebenenfalls leidensgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung, gegebenenfalls sogar mit geringerer Arbeitszeit, ist dieser anzubieten und in Zweifel eine Änderungskündigung auszusprechen. An dieser Stelle kommt dann auch das beM-Verfahrenins Spiel. Die Durchführung des beM ist eine gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers. Er kann zwar krankheitsbedingt kündigen, ohne ein solches beM durchzuführen, kann er aber nicht darlegen, dass die Durchführung eines beM völlig nutzlos gewesen wäre, da dies zu keinem positiven Ergebnis geführt hätte, so kann er nicht nachweisen, dass die Kündigung verhältnismäßig war. So war es auch im entschiedenen Fall. Dabei sind die Anforderungen an eine solche Darlegung ganz erheblich. Der Arbeitgeber muss vortragen, dass eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung zu anderen Arbeitsbedingungen, gegebenenfalls durch eine Umsetzung oder Inanspruchnahme von Hilfsmitteln zur Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes nicht möglich war und keinerlei Erfolg hätte herbeiführen können. „Darlegen“ heißt hierbei, dass er umfangreich Ausführungen zur Struktur und den Arbeitsplätzen im Unternehmen machen muss, dass er gegebenenfalls eine Arbeitszeitreduzierung anbieten musste, und nicht nur freie Arbeitsplätze, sondern eine Umverteilung der Arbeit prüfen muss, so, als hätte vollumfänglich ein beM-Gespräch mit entsprechenden Vorschlägen der Interessenvertreter, des Betriebsarzt oder des Arbeitnehmers selbst vorgelegen. Es reicht damit nicht, dass der Arbeitgeber lediglich behauptet, dass es solche Möglichkeiten der Beschäftigung im Betrieb nicht gibt. Das Bundesarbeitsgericht lässt es ausdrücklich ausreichen, dass die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen ohne Durchführung eines beM bereits dann nicht dargelegt ist, wenn es denkbar ist, dass das beM ein positives Ergebnis für den Arbeitnehmer hätte erbringen können.

Erwerbsminderung ist nicht gleich Arbeitsunfähigkeit

In dem Verfahren hatte der Arbeitgeber sich darauf berufen, dass für die nächsten 24 Monate an den Arbeitnehmer eine Erwerbsminderungsrente wegen vollständiger Erwerbsminderung gezahlt würde, und sich bereits hieraus ergäbe, dass eine Beschäftigung wegen der vollständigen Erwerbsminderung nicht möglich sei. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Argumentation richtigerweise zurückgewiesen. Der Erhalt einer Erwerbsminderungsrente hängt von anderen Anforderungen als der tatsächlichen (zivilrechtlichen) Arbeitsfähigkeit ab, und schließt insbesondere das Bestehen einer Arbeitsfähigkeit auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz gerade nicht aus. Die sozialrechtlichen Anforderungen an eine Erwerbsminderung oder ein eine Erwerbsunfähigkeit sind andere, als an eine Arbeitsunfähigkeit im arbeitsrechtlichen Sinne.

Bestehen eines Betriebsrats keine Voraussetzung für ein beM

Nebenher hat das Bundesarbeitsgericht auch noch einmal darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement (beM) nicht das Bestehen einer Arbeitnehmervertretung, z.B. eines Betriebsrats ist, obwohl der Wortlaut des §§ 84 II SGB IX anderes vermuten lässt.

(c) Christoph Strieder, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Solingen und Leverkusen, wwww.anwalt-strieder.de http://www.arbeitsrecht-fachanwalt-leverkusen.de/

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