Bundesgerichtshof klärt streithafte Fragen bezüglich so genannter Eigenbedarfskündigungen des Vermieters und stärkt die Position des Mieters bei so genanntem Berufs- oder Geschäftsbedarfs des Vermieters.
Mit Urteil vom 29.03.2017 hat der 8. Zivilsenat des BGH zum Aktenzeichen VIII ZR 45/16 klarstellende Feststellungen zu den Voraussetzungen einer vermieterseitigen Eigenbedarfskündigung nach § 573 BGB getroffen. Hintergrund der Entscheidung war, dass ein Vermieter dem Mieter mit der Begründung gekündigt habe, er wolle die Mietwohnung für eine beabsichtigte Nutzung ausschließlich für gewerbliche Zwecke des Ehegatten verwenden und hier insbesondere die freiwerdenden Räume als ergänzende Hilfsräumlichkeiten, beispielsweise für den Aufbau eines umfänglichen Aktenarchivs zu nutzen.
Dieser Fall gab dem BGH Gelegenheit zu einer in der Instanzrechtsprechung, d.h. in den unteren Gerichten, oftmals vorzufindende Bewertung im Rahmen der Prüfung einer wirksamen Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB von Berufs- oder Geschäftsbedürfnissen des kündigenden Vermieters Stellung zu nehmen. Hier hat der BGH dieser Praxis der unteren Gerichte deutlich widersprochen. Er hat klargestellt, dass es grundsätzlich nicht zulässig ist, den Berufs- und Geschäftsbedarf des kündigenden Vermieters als sozusagen ungeschriebene typisierte Interessenkategorie zugunsten des Vermieters zu bewerten, erläutert Rechtsanwalt Marc Hildebrandt, zuständiger Rechtsanwalt für Mietrecht und WEG-Recht bei Strieder Rechtsanwälte und Fachanwälte in Solingen und Leverkusen. Vielmehr stellt der BGH darauf ab, dass es auf eine konkrete im Einzelfall festzustellende Bewertung tatsächlich vorhandenen Interessen des Vermieters und des Mieters kommen muss und insoweit zu entscheiden, ob ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses besteht.
Rechtlicher Hintergrund
Rechtlicher HIntergrund ist, dass der gesetzliche Tatbestand des § 573 Abs. 2 BGB typisierte Regelbeispiele für ein grundsätzlich zu akzeptierendes Vermieterinteresse aufstellt. Hierbei ist allerdings der Wunsch des kündigenden Vermieters zur beruflichen oder gewerblichen Nutzung weder den Regelbeispielen nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 BGB zuzuordnen sein, nämlich zur Wohnraumnutzung für sich oder gleichgestellte Angehörige ( Nr. 2) oder Hinderung an angemessener wirtschaftlicher Verwertung des Grundstücks (Nr. 3). Der BGH verortet die gegenständliche Begründung des kündigenden Vermieters, die Mietwohnung zukünftig zu gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken zu nutzen, als zwischen den vom Gesetzgeber in die gesetzliche Regelung aufgenommenen typisierten Regelbeispielen. Da diese Begründung jedoch nicht direkt den einzelnen Tatbeständen zuzuordnen ist, wendet der BGH insoweit die Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB an, die eine umfassende und einzelfallbezogene Feststellung und Abwägung der beiderseitigen Interessen der betroffenen Mietvertragsparteien erfordert.
Für die weitere Rechtsprechungsentwicklung der unteren Instanzgerichte, die vordringlich mit den Entscheidungen in der Praxis befasst sind, gibt der BGH in seiner Entscheidung jedoch ausgehend von den gesetzlichen Leitlinien, die sich durch die typisierten Regelbeispiele des § 573 Abs. 2 BGB konkretisieren, eine so genannte „Segelanweisung“, wie hier die Interessenlagen zu bewerten sein können.
Hier differenziert der BGH zwischen der Konstellation, in der der Vermieter die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken beziehen will, sondern dort zusätzlich auch einer (überwiegend) geschäftlichen Tätigkeit nachzugehen, der so genannten Mischnutzung, eine Verortung zu dem berechtigten Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, welche auf die Wohnnutzung abstellt.
Dem gegenüber stellt der BGH Fälle, in denen der Vermieter bzw. dessen Ehegatte die Beendigung des Mietverhältnisses ausschließlich zu geschäftlichen (gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken) vornehmen möchte, da er die Wohnung ausschließlich für diese Nutzung benötigt, dem Tatbestand der so genannten Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 nahe. Hieraus folgert der BGH, dass im erstgenannten Fall die Vermieterinteressen zunächst tendenziell nachvollziehbarer und berechtigter erscheinen und demgegenüber im zweiten Fall eher die Mieterinteressen tendenziell überwiegen. Insoweit werden durch den BGH weitere zu prüfende Punkte ausgeführt, an die sich die Instanzgerichte zukünftig halten werden, so Rechtsanwalt Marc Hildebrandt.
Fazit und Tipp in diesem Zusammenhang für betroffene Mieter durch den im Miet- und WEG- Recht tätigen Rechtsanwalt Hildebrandt bei Strieder Rechtsanwälte:
Nach der Entscheidung des BGH in dieser nicht unwichtigen Frage der so genannten Eigenbedarfskündigung, die im Grundsatz eine erleichterte Kündigung des Vermieters zur Beendigung eines Mietverhältnisses ist, stärkt der 8. Zivilsenat des BGH die Rechte des Mieters insoweit, als dass es auf eine konkretere Abwägung der beiderseitig betroffenen Interessen ankommt und insbesondere an die Begründungserfordernisse des Vermieters für die Darlegung seines Interesses bei ausschließlich wirtschaftlicher und beruflicher Nutzung der ehemaligen Mietwohnung höhere Anforderungen stellt. Der BGH begrenzt daher die in den unteren Instanzgerichten verbreitete Auffassung, allein die Begründung mit beruflichen und geschäftlichen Zwecken zur Ausübung der vermieterseitigen Eigenbedarfskündigung würden ein solches Vermieterinteresse überwiegend begründen.
Insoweit ist Mietern, die eine solche Kündigung mit der Begründung auf geschäftliche Zwecke erhalten, zu empfehlen, diese konkret und auf deren Begründung und Hintergründe prüfen zu lassen, da sich die Verteidigungsmöglichkeiten durch die klarstellenden Ausführungen des BGH vom 29.03.2017 VIII ZR 45/16 verbessert haben.
Vermietern ist demgegenüber zu empfehlen, hier schon bei der Begründung des Ausspruchs einer auf geschäftliche Zwecke gestützten Kündigung solche Umstände darzulegen, die den nunmehr getroffenen Leitlinien des BGH entsprechen, um bei Vorliegen der geforderten Voraussetzungen eine Kündigung letztendlich auch wirksam durchsetzen zu können.
Rechtsanwalt Marc Hildebrandt, Anwalt im Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG Recht) Kanzlei Rechtsanwälte Strieder, Solingen / Leverkusen