Verstoß eines Werks gegen Bauordnungsrecht begründet keinen Werkmangel, wenn das Werk als solches funktionsfähig ist und sich der Grund für die Ordnungswidrigkeit nicht aus dem Werk selbst ergibt.
Amtsgericht Mettmann, Urteil vom 6.2.2015, Az: 21 C398/14; LG Wuppertal, Hinweisbeschluss vom 8.10.2015, AZ 16 S 22/15
Von Rechtsanwalt Christoph Strieder
- Die die bauordnungsrechtliche Unzulässigkeit eines Werks stellt nur dann einen Mangel dar, wenn diese im Werk selbst und nicht in Umständen außerhalb des Werks liegt, es sei denn, die bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Werks ist Vertragsinhalt.
- Die Prüfung bauordnungsrechtliche oder bauplanungsrechtliche Zulässigkeit für ein Bauvorhaben fällt grundsätzlich in den Risikobereich des Bauherrn und nicht des Werkunternehmers.
- Der Werkunternehmer schuldet die Prüfung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit grundsätzlich nur, wenn dies zusätzlich vereinbart ist.
- Ein Hinweis des Werkunternehmers darauf, dass die Errichtung des Werks möglicherweise bauordnungsrechtlich unzulässig ist, kann nur verlangt werden, wenn dies Zulässigkeit den Bereich des ausgeübten Handwerks unmittelbar betrifft und keine Kenntnis in rechtlicher Hinsicht erfordert.
(Leitsatz Rechtsanwalt Christoph Strieder, Solingen / Leverkusen)
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Sachverhalt:
- Der Auftraggeber beauftragte beim Auftragnehmer, einem Handwerksbetrieb für Rollladenbau, die Fertigung eines Metallgestells, an dem ein Tuch so befestigt werden konnte, dass dieses ein flächiges Sonnensegel bildet, wobei das Tuch durch Klettverschlüsse gehalten jederzeit abgenommen werden konnte. Dieses Gestell befestigte der Auftragnehmer an der Gartenmauer des Auftraggebers.
- Nach Fertigung des Sonnensegels und nach der Installation an der Mauer des Auftraggebers durch den Auftragnehmer rügte ein Nachbar des Auftragnehmers gegenüber dem Bauordnungsamt die baurechtliche Unzulässigkeit. Die Behörde untersagte dem Auftraggeber die Nutzung des Sonnensegel auf der Mauer, da diese Nutzung gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften (Höhe der Mauer) verstieß.
- Der Auftraggeber war der Meinung, die fehlende baurechtliche Zulässigkeit des von ihm beauftragten Sonnensegels stelle ein Mangel des Werks dar. Dieses erfülle die vereinbarte Funktion nicht, da der Auftraggeber es nicht nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zulässig nutzen durfte. Den Auftragnehmer hätte eine Hinweispflicht auf die etwaige bauordnungsrechtliche Unzulässigkeit getroffen. Daher sei wenigstens ein Schadensersatzanspruch gegeben.
Entscheidung
- Das Amtsgericht Mettmann (Urteil vom 6.2.2015, Az: 21 C398/14) hat das Bestehen eines Werkmangels und eine Hinweispflicht des Auftragnehmers verneint und die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren, das der Auftraggeber (Kläger) gegen das Urteil anstrengte, hat das Landgericht Wuppertal (Hinweisbeschluss vom 8.10.2015, AZ 16 S 22/15) darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe.Die bloße bauordnungsrechtliche Unzulässigkeit des beauftragten Werks begründe keinen Mangel des Werks. Zwar sei es richtig, dass ein Werkmangel auch dann vorliege, wenn der mit dem Vertrag verfolgte Zweck nicht erfüllt wird und das Werk seine vereinbart oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion nicht erfüllt. Durch die Bauordnungswidrigkeit sei die Funktion des Werks aber gerade nicht beeinträchtigt.
- Das Landgericht verwies darauf, dass das Werk unabhängig von der ordnungsrechtlichen Zulässigkeit funktionstüchtig sei. Die Funktionstüchtigkeit wird durch die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit als solche nicht beeinträchtigt, soweit sich diese aus einem Umstand außerhalb des Werks ergibt, vorliegend aus der Höhe der Einfriedungsmauer, an der das Sonnensegel installiert werden sollte. Für eine Vereinbarung zwischen den Parteien, dass die Installation des Sonnensegels auch bauordnungsrechtlich zulässig ist, war nichts zu erkennen.
- Auch eine besondere Hinweispflicht des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber, die zu einem Schadensersatzanspruch verpflichten könnte, war nichts zu erkennen. Eine Pflicht, auf mögliche bauordnungsrechtliche Unzulässigkeit eines Vorhabens hinzuweisen, trifft den Werkunternehmer nur, wenn dieser ein überlegenes Wissen gegenüber dem Auftraggeber habe. Ein solches überlegenes Wissen kann nur angenommen werden, wenn die Bauordnungswidrigkeit einen Bereich des ausgeübten Handwerks des Werkunternehmers betrifft, in dem er über besondere Spezialkenntnisse verfügt, und wenn zur Beurteilung dieser Zulässigkeit keine besonderen, rechtlichen Kenntnisse erforderlich sind.
Anmerkung
- Das Urteil ist zu begrüßen. Es steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (NJW-RR 2000, 310). Das Urteil stärkt die Rechte des (einfachen) Werkunternehmers und verpflichtet die Parteien, bei Beauftragung eines Werks Regelungen zur bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit zu treffen, die ein Handwerker ohne Weiteres selbst nicht beurteilen kann, soweit sie sich aus dem Eigentum des Auftraggebers ergeben können. Ist also ein Werk bauordnungsrechtlich nicht zulässig, und ergibt sich diese Unzulässigkeit aus Umständen, die das Eigentum des Auftraggebers betreffen, stellt dies zunächst keinen Mangel des Werks dar, auch, wenn die Nutzung des im übrigen mangelfreien Werks bauordnungsrechtlich unzulässig ist, und daher rechtmäßig nicht durchgeführt werden kann.
- Dies ist anders, wenn die Art des Handwerks, z.B. bei Architekten oder in der Bauleitplanung, auch die Prüfung der Zulässigkeit nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften umfasst. Anders ist natürlich auch, wenn das Werk selbst so erstellt ist, dass ein Teil des Werks als solches die Ordnungswidrigkeit herbeiführt.
Tip
- In jedem Fall bietet es sich für den Werkunternehmer an, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ausdrücklich zu regeln, dass die Prüfung der Zulässigkeit des beauftragten Werks nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht geschuldet ist.
- Der Auftraggeber hat die Möglichkeit, die Prüfung einer solchen Zulässigkeit mit den Werkunternehmer zu vereinbaren oder einen Dritten hiermit zu beauftragen, bevor er den Auftrag zur Fertigung des Werks an den Auftragnehmer vergibt.
Rechtsanwalt Christoph Strieder, Solingen / Leverkusen
(Rechtsanwalt Christoph Strieder ist Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für IT-Recht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz)