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Kündigung trotz Arbeitnehmerdatenschutz

Die Weigerung eines Arbeitnehmers, einer Arbeitsanweisung seines Arbeitgebers zu Teilnahme an einem datenerfassenden System, dass personenbezogene daten des Arbeitnehmers erfasst, zu folgen, kann zu einer gegebenenfalls fristlosen Kündig nach den Grundsätzen beharrlicher Arbeitsverweigerung führen. Aktuelle Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts zu solchen arbeitgeberseitigen Weisungen ist es, dass diese vom Arbeitnehmer so lange als rechtswirksam beachtet werden müssen, wie nicht rechtskräftig festgestellt ist, dass die jeweilige Arbeitsanweisung unwirksam war (BAG Urteil v. 17.11.2016 – 2 AZR 730/15).

Arbeitnehmerdatenschutz kein Grund zur Arbeitsverweigerung?

Fachanwalt für Arbeitsrecht
RA Christoph Strieder
Fachanwalt Arbeitsrecht

Dies ist nicht unumstritten und wird von den Arbeitsgerichten teilweise kritisch gesehen. Nach Rechtsauffassung des LAG Hamm (LAG Hamm, Urteil vom 17.03.2016 – 17 Sa 1660/15) und des LAG Düsseldorf (LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.04.2016 – 12 Sa 1153/15) besteht eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, einer rechtswidrigen Weisung des Arbeitgebers folgen zu müssen, nicht unbedingt. Hiernach soll der Arbeitnehmer nicht das Risiko tragen müssen, seine Rechte aus dem Arbeitsverhältnis zu beeinträchtigen, indem er einer (aus seiner Sicht) rechtswidrigen Arbeitsanweisung nicht Folge leistet. Bis zu einer gerichtlichen Klärung sollen daher durch den Arbeitgeber weder Abmahnungen noch eine Kündigung rechtmäßig sein. Nach Rechtsauffassung dieser Gerichte wäre es dann wohl auch zu einer Kündigung eines Arbeitnehmers nicht gekommen, der sich als Kraftfahrer gegen die Nutzung und Erfassung seiner Daten in einem elektronischen Fahrberichtsystem wandte, und der Weisung des Arbeitgebers, das elektronische Berichtssystem über Fahrdaten anzuwenden, schlicht nicht Folge leistete. Dabei hatte er in diese elektronische Erfassung personenbezogener Daten persönlich nicht eingewilligt. Diese Einwilligung war aber durch eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat im Betrieb des Arbeitgebers „ersetzt“ worden. Eine solche Betriebsvereinbarung stellt tatsächlich einen rechtfertigenden Grund zu Erfassung bzw. Verarbeitung personenbezogener Daten im Betrieb eines Arbeitgebers dar. Im entschiedenen Fall hat das Bundesarbeitsgericht aber sogar das Interesse des Arbeitgebers daran, durch die Nutzung des elektronischen Berichtssystems zur Erfassung von Fahrdaten die Arbeitnehmer zu einer vorausschauenden und sparsamen Fahrweise anzuhalten, bereits für ausreichend gehalten, umfangreich personenbezogene Daten zu erheben.

Arbeitnehmer muss rechtswidrige Weisung bis auf Weiteres befolgen?

Letzteres Argument halte ich allerdings nicht für tragend. Richtig ist, dass ein Interesse des Arbeitgebers dann, wenn entgegenstehende, erhebliche Interessen des Arbeitnehmers nicht ersichtlich sind, die Verarbeitung personenbezogener Daten des Arbeitnehmers (zu arbeitsvertragszwecken) rechtfertigen kann. Für die vom Bundesarbeitsgericht genannten Ziele wäre aber eine dauerhafte Erfassung und damit Überwachung des Fahrverhaltens eines Arbeitnehmers unverhältnismäßig. Eine dauerhafte und permanente Erfassung der Fahrdaten, die während der gesamten Fahrten und auch während des Stillstandes und im Pausenzeiten die persönliche Arbeitsleistung und die persönlichen Arbeitsumfang des Arbeitnehmers kontrollieren, ist zur Erreichung solcher Ziele sicherlich nicht notwendig. Aus meiner Sicht hätte allerdings eine Bezugnahme auf die Betriebsvereinbarung ausgereicht, um die Rechtmäßigkeit nach dem BDSG herzustellen. Ob und inwieweit dies noch der Fall ist, wenn die Datenschutzgrundverordnung in Deutschland umgesetzt ist, ist nach wie vor unklar. jedenfalls führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass es dem Arbeitnehmer zumutbar gewesen wäre, der Weisung des Arbeitgebers zunächst unter dem Vorbehalt gerichtliche Prüfung zu folgen. Das Bundesarbeitsgericht führt auch aus, es hätte kein unverschuldeter Rechtsirrtum des Arbeitnehmers vorgelegen. Letzteres Argument ist für mich wiederum nicht nachvollziehbar, da der Rechtsstreit über die Frage der (gerechtfertigten) Persönlichkeitsrechtsverletzung über drei Instanzen, bis zum Bundesarbeitsgericht, geführt wurde, und der Arbeitnehmer eine rechtliche Beurteilung sicherlich nicht besser vornehmen muss, als seine Rechtsanwälte (deren „Rechtsirrtum“ dem Arbeitnehmer aber zugerechnet wird). Das Bundesarbeitsgericht hat aber in praktischer Hinsicht mit seiner Rechtsauffassung recht. Eine nicht offensichtlich rechtswidrige Weisung, bei der die Persönlichkeitsrechtsverletzung auf der Hand liegt, und der ein Arbeitnehmer über drei Instanzen nicht folgen muss, kann  die gesamten betrieblichen Abläufe so beeinträchtigen, dass ein ordnungsgemäßes Arbeiten und die Durchführung betrieblicher Maßnahmen kaum noch möglich scheint. Die Rechtsauffassung des LAG Düsseldorf (a.a.O.), wonach eine Verpflichtung, einer (vermeintlich) rechtswidrigen Weisung des Arbeitgebers folgen zu müssen, bis zu einer gerichtlichen Entscheidung erster Instanz besteht, stellt für diese Problematik aus meiner Sicht einen angemessenen Ausgleich dar. Kommt das Arbeitsgericht in der ersten Instanz zum Ergebnis, dass die Weisung rechtswidrig war, muss dem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden, dieser nach wie vor Folge zu leisten.

(Christoph Strieder, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Solingen und Leverkusen)

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