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Haftung des Webdesigners bei Urheberrechtsverletzung seiner Kunden

Haftung des Webdesigners bei Urheberrechtsverletzung seiner Kunden

und

Schadensersatz bei kostenlosem Foto-Vertriebsmodell (hier Pixelio)
(LG Bochum, Urteil vom 16.8.2016, Az.: I-9 S 17/16)

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Die Haftung des Webdesigners

Im Dschungel Strieder Copyright
Im Dschungel des Rechts (c) C.Strieder

Webdesigner, die für Ihre Kunden Internetseiten bzw. Internetauftritte designen und erstellen, sind bei der Übertragung von Fotos, Grafiken, Texten und anderem urheberrechtlich geschützem Material zur Nutzung innerhalb dieser Internetseite durch den Kunden zu besonderer Sorgfalt verpflichtet. Wird der Kunde abgemahnt, weil eine solche Grafik, Fotografie oder Ähnliches urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Nutzungsrecht des Kunden im Internet öffentlich wiedergegeben wird, trägt der Webdesigner den Schaden, der dem Kunden aus dieser Abmahnung entsteht.

Zur Haftung des Webdesigners in Fällen, in denen dieser seinen Kunden urheberrechtswidrig Fotografien zur Verfügung stellt, gibt es meines Wissens noch nicht allzuviele Urteile. In 2 interessanten Verfahren, die wir nach einer Pixelio-Abmahnung unseres Mandanten gegen den Abmahnenden (angeblichen Urheberrechtsinhaber) und gegen den Webdesigner führten, haben die Gerichte im Sinne des Mandanten und inhaltlich aus unserer Sicht erfreulich klarstellend auch im Hinblick auf Pixelio-Abmahnungen von Urheberrechtsinhabern, die ihre Werke praktisch kostenfrei im Internet anbieten, und bei Urheberrechtsverletzungen ihren Schaden nach den Lizenzgebühren der MFM (Mittelstandsvereinigung Fotomarketing) berechnen, entschieden.

Leitsätze

Zunächst die Leitsätze, die ich der Entscheidung des Landgerichts Bochum entnehme:

1. Der Ersteller einer Internetseite für einen Dritten ist als Hauptverpflichtung aus dem Erstellungsvertrag verpflichtet, das hierbei von ihm genutzte, urheberrechtlich geschützte Material auf diesen Urheberrechtsschutz und die Voraussetzungen für die Übertragung und Nutzung durch seinen Kunden besonders zu prüfen.

2. Dem Ersteller einer Internetseite für einen Dritten obliegt als Nebenpflicht aus dem Erstellunsgvertrag eine Informationspflicht gegenüber seinem Kunden über die rechtlichen Voraussetzungen der Nutzung von urheberrechtlich geschützte Material, das der Ersteller der Internetseite für seine Kunden in die Gestaltung der Internetseite einbringt.

3. Verletzt der Ersteller einer Internetseite seine Verpflichtung, die Voraussetzungen für die Nutzung des von ihm bei der Erstellung der Internetseite eingebrachten urheberrechtlichen Materials durch den Kunden zu prüfen oder den Kunden über diese Voraussetzungen zu informieren, haftet er gegenüber seinem Kunden auf Schadensersatz,  wenn dieser von dem Urheberrechtsinhaber wegen der UrheberrechtswidrigeN Nutzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.

4. Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs richtet sich bei einem Homepage-Erstellungsvertrag nach den allgemeinen Vorschriften und beginnt nicht vor Kenntnis des Kunden über die Urheberrechtsverletzung zu laufen, wobei mangels anderer Anhaltspunkte eine Kenntnis erst mit dem Zeitpunkt der Abmahnung oder Geltendmachung sonstiger Ansprüche durch den Urheberrechtsinhaber gegenüber dem Kunden anzunehmen ist.

5. Der Urheberrechteinhaber, der sein urheberrechtlich geschütztes Material im Internet kostenlos zur Verfügung stellt, kann zur Berechnung seiner Schadensersatzansprüche wegen Urheberrechtsverletzung als fiktiven Lizenzschaden regelmäßig nicht die Lizenzsätze nach den Honorarsätzen der Mittelstandsvereinigung Foto Marketing (MFM) ansetzen (hier Pixelio.de). Der Schadensersatz wegen fehlender Urheberrechtsbenennung bei der Nutzung einer Fotografie auf einer Internetseite beträgt in einem solchen Fall nach richterlicher Schätzung 100 €.

(Urteil LG Bochum 16_8_16. az I 9 17_16 LG Bochum, Urteil vom 16.8.2016, Az.: I-9 S 17/16 (Vorinstanz AG Bochum vom 13.1.2016, Az.: 67 C 380/15))

Was wichtig ist

Das Urteil des Landgerichts Bochum enthält einige sehr interessante Nuancen zur Frage der Berechnung von Schadensersatzansprüchen bei Urheberrechtsverletzungen und zur Vertragspflicht des Webdesigners, der eine Homepage für seine Kunden erstellt und hierbei auch Grafiken, Fotografien oder Ähnliches urheberrechtlich geschütztes Material einbringt. Sehr interessant sind hierbei die Ausführungen zur Frage des Schadensersatzes bei Urheberrechtsverletzungen bei der Nutzung von Fotografien, die der Urheberrechtsinhaber auf einer Internetplattform zur Verfügung stellt, die grundsätzlich die kostenlose Nutzung oder Nutzung gegen ein ganz geringes Entgelt ermöglicht.

Wie kam es zu den gerichtlichen Verfahren?

Fachanwalt für Arbeitsrecht
RA Christoph Strieder
Fachanwalt IT-Recht

Unser Mandant hatte die Erstellung einer Internetseite beauftragt, die der Beauftragte Webdesigner im Jahre 2009 erstellte. Er nutzte hierbei eine Fotografie, die auf der Internet-Plattform pixelio.de kostenfrei angeboten wurde und die er zuvor auf der Internet-Plattform Pixelio.de kostenfrei heruntergeladen hatte und die sich seitdem in seinem „Fundus“ befand. Einen Urheberrechtsvermerk entsprechend den AGB der Pixelio.de hatte er bei der Erstellung der Homepage nicht angebracht und den Mandanten über eine solche Notwendigkeit auch nicht informiert.

Im Jahre 2014 erhielt unser Mandant eine Abmahnung vom (angeblichen) Inhaber des Urheberrechts, der diese Fotodatei auf der Internetplattform Pixelio.de Dritten zur Nutzung kostenfrei angeboten hatte und dies auch zum Zeitpunkt der Abmahnung noch tat. Er vertrat die Auffassung dass wegen der fehlenden Urheberrechtsbezeichnung die Nutzung der Fotodatei im Internetauftritt insgesamt rechtswidrig war und die Nutzung damit als solche eine Urheberrechtsverletzung darstellte, wobei er Schadensersatz für diese Urheberrechtsverletzung nach den Honorarempfehlungen MFM, eine Erhöhung des Schadensersatzanspruches wegen fehlender Urheberrechtsbenennung und die Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung verlangte.

Der Mandant machte den Schadensersatzanspruch seinerseits dem Grunde nach als Schaden gegenüber seinem Webdesigner, der diese Grafik in seinem Internetauftritt integriert hatte, geltend. Dieser berief sich auf die werkvertragliche Verjährungsfrist von 2 Jahren und wies alle Ansprüche zurück.

Der Mandant zahlte einen geringen Betrag zur Erledigung der Angelegenheit an den angeblichen Urheberrechtsinhaber, dies ohne Anerkenntnis einer rechtlichen Verpflichtung.

Die gerichtlichen Verfahren

a) Der angebliche Inhaber der Urheberrechte klagte dann vor dem Amtsgericht Charlottenburg auf Schadensersatz gegenüber unserem Mandanten. Das Amtsgericht Charlottenburg hat dann in einem Beschluss vom 26.1.2016 Az: 224 C 202/15 (Download Hinweisbeschluss AG Charlottenburg Beschluss vom 26_1_16 Az 224 C 202_15) darauf hingewiesen, das nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Pixelio zum vorliegend maßgeblichen Zeitraum die Urheberrechtsbenennung nicht Voraussetzung für die Nutzung der über Pixel.de erworbenen Fotografie war, sondern allenfalls eine zusätzliche vertragliche Verpflichtung bestand, den Urheber zu benennen. Da dies nicht geschehen war, schätzte das Amtsgericht Charlottenburg den Schadensersatz auf 100 €. Es berechnete zudem die Erstattung der Anwaltskosten für die Abmahnung und wies darauf hin, dass durch den vorgerichtlich gezahlten Betrag der tatsächliche Schaden bereits nicht nur ausgeglichen, sondern sogar überzahlt sei. Nach längeren Schriftwechsel und mehrfachen mündlichen Verhandlungen nahm der angebliche Urheberrechtsinhaber die Klage vor dem Amtsgericht Charlottenburg dann zurück.

b) Zugleich machte der Mandant Schadensersatz gegenüber dem Webdesigner vor dem Amtsgericht Bochum geltend. Bereits erstinstanzlich sprach das Amtsgericht Bochum dem Mandanten den Schadensersatzanspruch zu,  weil der Webdesigner seine Verpflichtung aus dem Homepage-Erstellungsvertrag verletzt hatte, indem er bei der Gestaltung eine Fotografie nutzte, bei der nach den vertraglichen Bestimmungen mit dem Urheber ein Urheberrechtsvermerk hätte angebracht werden müssen.

c) Auf die Berufung des Webdesigner hin bestätigte das Landgericht Bochum die Entscheidung des Amtsgericht aber und verurteilte den Webdesigner zum Schadensersatz.

Es verwies dabei auf den o.g. Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg, dem es sich grundsätzlich anschloss. Darüber hinausgehend hat das Landgericht Bochum im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch des Urheberrechtsinhabers ausgeführt:

„Der im Wege der Lizenzanalogie aufgemachte Schadensersatzanspruch (wegen unterlassener Benennung des Urhebers, Anmerkung RA Strieder) ist hier nicht an den MFM-Sätzen zu orientieren, da vorliegend zu berücksichtigen ist, dass die unentgeltliche Lizenzierung des betroffenen Fotos über pixelio.de unter bloßer Urheberrechtsbenennung stark darauf hinweist, dass der Urheber im Verletzungszeitraum unter anderem dieses Foto nicht – schon gar nicht in nennenswertem Umfang – zu den MFM-Sätzen tatsächlich lizenzieren konnte und lizenziert hat, sondern auf das dortige Geschäftsmodell mit unentgeltliche Lizenzierung unter Urheberbenennung ausweichen musste, z.B. um sich zunächst einen gewissen Ruf zu erwerben.“

Meine Anmerkungen zum Urteil LG Bochum

Die Ausführungen des LG Bochum sind zu sehr begrüßen.

b) Dies gilt zum einen für die Haftung des Webdesigners, auf dessen fachliche Kenntnisse sich der Kunde verlässt, und bei dem er davon ausgehen kann, dass dieser ihn auch über das eingebrachte urheberrechtliche Material umfassend informiert und aufklärt, so dass Schäden beim Kunden vermieden werden. Dass die Verjährung eines solchen (werkvertraglichen) Schadensersatzanspruchs grundsätzlich 2 Jahre ab Abnahme beträgt, wie der Beklagte einwandte, ist falsch, und wird vom Landgericht auch nicht weiter problematisiert. Tatsächlich regelt § 634 Buchst. a BGB, dass die kurze werkvertragliche Verjährung von 2 Jahren, die der Beklagte einwandte, sich auf die „Herstellung einer Sache“ bezieht, und bei anderen Ansprüchen (z.B. bei Softwareerstellung, aber auch bei der Erstellung einer Internetseite) die 3-jährige Regelverjährung und die Vorschriften über deren Beginn Anwendung finden.

b) Die dies gilt weiter für die Schadensberechnung bei einer Urheberrechtsverletzung (bzw. vorliegend einer Vertragsverletzung), wenn das urheberrechtlich geschützte Werk durch den Urheberrechtsinhaber kostenfrei angeboten wird. Die Honorarempfehlungen MFM können aus meiner Sicht für die Berechnung eines Schadensersatzes bei einer rechtswidrigen Nutzung dann nicht angesetzt werden, wenn die Art des tatsächlichen Vertriebs des urheberrechtswidrigen Materials der Geltendmachung solcher Verrechnungssätze entgegensteht. Die Honorarempfehlungen können dann keine Schätzungsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch geben. Dies gilt aus meiner Sicht grundsätzlich immer dann, wenn die kostenfreie Nutzung oder die Nutzung gegen ein ganz geringes Entgelt bei urheberrechtliche Material durch den Urheberrechtsinhaber angeboten wird. Ein solcher bewusst kostenfreier Vertrieb, darf nicht dazu führen, dass am Markt nicht zu realisierende Schadenspositionen gegen angebliche Verletzer des Urheberrechts durchgesetzt werden. Dies ist aus meiner Sicht im Falle kostenfreien Vertriebs auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn schon die fehlende Urheberrechtsbenennung dazu führt, dass das Werk als solches nicht durch Dritte öffentlich zugänglich gemacht werden darf. Auch in einem solchen Fall liegt das Interesse des Urheberrechtsinhabers nämlich nicht an der Lizenzierung seines Werks gegen ein Honorar, das den MFM oder anderen Honorarordnungen entsprechen könnte, sondern allenfalls an einem Werbeeffekt, der durch die Nutzung der Fotografie unter Angabe seines Namens als Urheber liegen kann. Der Berechnung eines Schadensersatzanspruchs ist ein etwaiger Präventionsgedanken, durch seine Höhe zu verhindern, dass zukünftig ähnliche Verletzungen geschehen, fremd. Hierzu stehen dem Geschädigten andere Mittel zur Verfügung.

Wie ein solcher Werbeeffekt zu kapitalisieren sein kann, ist aber fraglich. Er liegt jedenfalls, gerichtet auf möglichst massenhafte Verbreitung, nicht auch nur ansatzweise bei Lizenzgebühren, die sich aus Empfehlungen nach Honorarordnungen ergeben. Ich meine, dass sich ein solcher Schadensersatzanspruch auch dann nicht ergibt, wenn der Urheberrechtsinhaber zusätzlich zum kostenfreien Vertrieb des Werkstücks mit Urheberrechtsvermerk ein Lizenzierungsmodell ohne Urheberrechtsvermerk unterhält und hierfür (angeblich) hohe Nutzungsgebühren vereinnahmt. Es ist ohnehin nicht erkennbar, worin das Interesse des Nutzers liegen sollte, einen erheblichen Betrag für die Nutzung einer Fotodatei an den Urheberrechtsinhaber zu zahlen, nur um ein Urheberrechtsvermerk nicht anbringen zu müssen,  wenn er die Nutzung mit Urheberrechtsvermerk kostenlos erlangen kann. Im Wege des konkreten Vertriebs des Verletzungsstücks über unentgeltliche Nutzungsrechte hätte der Urheberrechtsinhaber solche Gebühren nämlich nicht vereinnahmt sondern allenfalls den oben genannten Werbeeffekt erhofft. Ob dieser so, wie das LG Bochum und das AG Charlottenburg meinen, bei 100 € liegt, lässt die Frage nach der Schätzungsgrundlage dieses Schadensersatzanspruchs offen. Vorteile aus dem erhofften Werbeeffekt des kostenlosen Vertriebs eines Urheberrechtsstücks dürften erfahrungsgemäß erst bei einer ganz erheblichen Verbreitung und Wahrnehmung durch mögliche Interessenten entstehen, so dass für einen Schaden in solchen Fällen tatsächlich wenig erkennbar ist. Jedenfalls müsste der Geschädigte hierzu umfangreich vortragen.
Entscheidend ist aus meiner Sicht aber, dass bei der Nutzung eines kostenfreien Vertriebsmodells die urheberrechtswidrige Nutzung des hierüber vertriebenen Stücks die regelmäßig geltend gemachten, entsprechend den MFM berechneten Schadensersatzansprüche nicht rechtfertigen kann. Betont werden muss aber, dass die vorliegenden gerichtlichen Entscheidungen sich lediglich möglicherweise (ganz klar wird dies in der vorliegenden Entscheidung des LG Bochum nicht) auf eine vertragswidrige Nutzung bezogen, bei der das grundsätzliche Recht zur Nutzung der Fotodatei bestand, und lediglich ein Verstoß gegen die Urheberrechtsbenennung (aus vertraglichen Gründen) vorlag. Insoweit geht meine Rechtsauffassung, die diejenigen Urheberrechtinhaber, die kostenlose Vertriebsmodelle nutzen, auf Unterlassungsansprüche verweist und damit aus mancher Sicht teilweise rechtlos stellt, über die gerichtlichen Entscheidungen hinaus. Dies in jedem Fall deswegen, weil nach meiner Auffassung gar keine Schadensersatz zuzuerkennen war. Wer meine Auffassung kritisiert, muss aber auch sehen, dass bei der Verletzung materieller Güter der tatsächliche Wert den Schaden bestimmt. Dies ist bei immateriellen Gütern wie dem Urheberrecht nicht anders, und die Bestimmung einer fiktiven Lizenzgebühr soll diesem Umstand gerade Rechnung tragen. Danach kann die Verletzung eines kostenfreien Nutzungrechts auch keinen Schaden begründen. Die Frage, welche (fiktive) Lizenzgebühr bei ordnungsgemäßen Verhalten angefallen wäre, stellt sich in einem solchen Fall ja gerade nicht.

(c) Christoph Strieder, Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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