• Allgemein
  • Arbeitsrecht
  • Verbraucherrecht

Arbeitslosengeld (ALG 1) während der Elternzeit

ALG 1 trotz Elternzeit – geht das?

JURA Strieder CopyrightWährend der Elternzeit können für die Eltern dann, wenn das Elterngeld nicht mehr gezahlt wird, insbesondere also in einem etwaigen dritten Jahr der Elternzeit, ohne Arbeitslosengeld (ALG 1) finanzielle Schwierigkeiten aufkommen, da letztlich wenigstens ein Teil des Familiengehalts ausfällt. Im BEEG hat der Gesetzgeber daher einen Anspruch auf Teilzeittätigkeit beim Arbeitgeber, der mindestens 15 Arbeitnehmer beschäftigt, oder mit Zustimmung des bisherigen Arbeitgebers  bei einem Dritten bis zu durchschnittlich 30 Stunden wöchentlich geregelt. Wird dieser Antrag vom Arbeitnehmer vor oder während der Elternzeit richtig (insbesondere hinreichend bestimmt) gestellt und lehnt der Arbeitgeber diesen binnen vier Wochen seit Antragstellung ab, weil der Teilzeittätigkeit dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, die er nachweisen kann, hat der Elternteil in Erziehungsurlaub zunächst keinerlei Einkommen mehr.

Es stellt sich dann die Frage, ob dem erziehenden Elternteil während der Elternzeit Arbeitslosengeld zusteht. Auf den ersten Blick kann diese Frage relativ leicht sowohl pauschal mit „Nein“ als aber auch mit „ Ja“ beantwortet werden. Für ein „Nein“ spricht, dass das Arbeitsverhältnis ja grundsätzlich während der Elternzeit ausgesetzt ist, und anders, als bei einem vollzogenen Arbeitsvertragsverhältnis, kein unbeschränkter Anspruch auf Tätigkeit, nicht einmal auf eine Teilzeittätigkeit besteht. Für ein „Ja“ spricht, dass der Arbeitnehmer in Elternzeit ja nicht gekündigt ist, und grundsätzlich auch arbeiten könnte, dies auch möchte, ihm aber aufgrund der gesetzlichen Lage eine Aufnahme der Tätigkeit beim alten Arbeitgeber nicht möglich ist und er sich so, wie ein sonstiger Arbeitssuchender auch, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach einer anderen Teilzeittätigkeit „umsieht“.

Sollten die allgemeinen Voraussetzungen an die Berechtigung für den Bezug von Arbeitslosengeld gegeben sein, insbesondere Versicherungspflichtigkeit im sozialrechtlichen Sinne sind, stellt sich die Frage, ob derjenige, der einen Arbeitsvertrag hat, der während der Elternzeit gesetzlich ausgesetzt ist, arbeitslos sein kann. Dies wird von Juristen ganz unterschiedlich beantwortet. Klar ist aber eins: Arbeitslos im rechtlichen Sinne ist, wer beschäftigungslos ist (§ 138 SGB III), was auch dann der Fall sein kann, wenn ein Arbeitnehmer in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis steht. Bei der Elternzeit, bei der das Arbeitsverhältnis und damit auch die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gesetzlich für die Elternzeit ausgesetzt ist, beantworten viele Juristen die Frage nach der Beschäftigungslosigkeit pauschal mit „Ja“. Rechtsfolge wäre, dass – die weiteren Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld immer vorausgesetzt – während der Elternzeit jedenfalls außerhalb des Bezugs von Elterngeld ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld besteht.

Lust auf Arbeitsrecht? Zu unserem OnlineRechtsLexikon

Gerichtliche  Entscheidungen

Von den Gerichten wird dies anders beurteilt. Die Gerichte weisen darauf hin, dass zwar grundsätzlich die Erbringung der arbeitsvertraglichen Leistung der Beschäftigung gleichsteht, es aber viele Fälle gibt, in denen dies nicht der Fall ist, und trotzdem eine Beschäftigung fortbesteht. So hat z.B. das Landessozialgericht NRW (Urteil vom 16.11.2011 AZ: L 9 AL 82/11) zulasten eines Arbeitnehmers entschieden, der während der Elternzeit einen Aufhebungsvertrag über das Arbeitsverhältnis  abschloss und dann eine Sperrzeit von der Bundesagentur erhielt. Die Verhängung einer solchen Sperrzeit setzt voraus, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis bestand. Das Gericht hat darauf verwiesen, dass eine „Beschäftigung“ im sozialrechtlichen Sinne auch dann anzunehmen ist, wenn die Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Arbeitsleistung zu erbringen, gesetzlich geregelt für eine Zeit lang ausgesetzt wird, wie dies eben bei der Elternzeit nach dem BEEG der Fall ist. Darüber hinaus liegt ein Beschäftigungsverhältnis auch dann vor, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies zeitweilig aussetzen, um es dann später fortzusetzen, was bei der Elternzeit nach § 18 BEEG sogar gesetzlich geregelt ist. Beschäftigungslosigkeit kommt demnach insbesondere aber auch erst dann in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer uneingeschränkt über seine Arbeitskraft verfügen darf. Dies ist während der Elternzeit aber nicht der Fall, weil der Arbeitnehmer nur mit Zustimmung des Arbeitgebers bei einem anderen Arbeitgeber seine Teilzeittätigkeit aufnehmen darf, und damit gerade nicht frei über seine Arbeitszeit verfügt.

Danach besteht während der Elternzeit grundsätzlich zunächst einmal keine Beschäftigungslosigkeit und damit auch kein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Beendigung des Bezugs des Elterngeldes. Ob das Gericht dies anders beurteilen würde, wenn der Arbeitgeber aus dringenden betrieblichen Gründen eine beantragte Teilzeittätigkeit für einen sich in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmer zurückweist und ihm generell das Recht einräumt, bei einem Dritten Arbeitgeber diese Teilzeittätigkeit auszuführen, ist unklar. Dies ändert nämlich nichts daran, dass der Gesetzgeber das Recht des Arbeitnehmers auf Freistellung nur zeitweise, nämlich bis zum Ende der Elternzeit, gerichtet auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geregelt hat.

Stellungnahme zum Anspruch auf Arbeitslosengeld wäherend der Elternzeit

RA Strieder Vortrag 1
C. Strieder: Fachanwalt Arbeitsrecht in Leverkusen/Solingen

Aus meiner Sicht steht dies dem Bezug von Arbeitslosengeld allerdings nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat nämlich das Recht des Arbeitnehmers, seine Tätigkeit während der Elternzeit weiter erbringen zu dürfen, soweit eingeschränkt, dass dies jedenfalls einer Beschäftigungslosigkeit gleichstehen kann, wenn der Anspruch auf Erbringung der Arbeitsleistung bis zu 30 Stunden wöchentlich ausgeschlossen ist, sei es, weil der Betrieb für einen solchen Anspruch zu klein ist (ein grundsätzlicher Anspruch auf Teilzeit-Tätigkeit während der Elternzeit besteht nur bei Betrieben, die mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigen), oder dringende betriebliche Gründe der Teilzeittätigkeit während der Elternzeit entgegenstehen. Das Arbeitsverhältnis ist dann gerade nicht mehr auf die Erbringung von Arbeitsleistung gerichtet.  Die Frage, wie die Argumentation des Landessozialgerichts mit der Tatsache in Einklang zu bringen ist, dass in Kleinbetrieben ein genereller Anspruch auf Erbringung einer verringerten Arbeitsleistung (Teilzeittätigkeiten der Elternzeit) nicht besteht, beantwortet das Sozialgericht nicht.

Das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist in diesem Fall auch nicht mit einer einvernehmlichen Aussetzung des Arbeitsverhältnisses, um dies später fortzusetzen, gleichzustellen. Von einer Einvernehmlichkeit kann nämlich bei der Inanspruchnahme der Elternzeit durch einen Arbeitnehmer gerade keine Rede sein. Vielmehr würden viele Arbeitgeber eine solche Elternzeit im Hinblick auf die hiermit für das Arbeitsverhältnis verbundenen Nachteile ablehnen, wenn der Anspruch nicht bereits gesetzlich normiert wäre. Problematisch ist dann allerdings, dass der Arbeitgeber die Aufnahme einer Tätigkeit bei einem Dritten verbieten könnte, und der sich Elternzeit befindliche Arbeitnehmer dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stünde. Hierfür mag es Gründe geben, z.B. bei Vertriebsmitarbeitern, erklärt der Arbeitgeber aber, pauschal und generell ohne jede Einschränkung seine Zustimmung zur Teilzeit-Tätigkeit während der Elternzeit bei einem anderen Arbeitgeber zu erteilen, dürfte dies dem grundsätzlichen Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld während der Elternzeit nicht entgegenstehen.

Und jetzt? Wie soll ein Arbeitnehmer in Elternzeit für ALG 1 vorgehen

Problematisch ist allerdings die Praxis. Ein Anspruch auf pauschale Zustimmung durch den Arbeitgeber zur Durchführung von Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber während der Elternzeit dürfte nicht bestehen und damit grundsätzlich auch nicht einklagbar sein.

Kann der Arbeitnehmer eine solche pauschale und unwiderrufliche Zustimmung des Arbeitgebers für die Zeit der Tätigkeit während der Elternzeit vorlegen und weist die Bundesagentur den Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gleichwohl zurück, kann sich hieran ein erheblich langer Zeitraum gerichtlicher Verfahren anschließen, wodurch die Problematik, dass der sich in Elternzeit befindliche Antragsteller nach Bezug des Elterngeldes keinerlei Einkünfte mehr hat, auch nicht behoben ist. Sollte der Arbeitnehmer das gerichtliche Verfahren gewinnen – in dem überprüft werden kann, ob der Teilzeitbeschäftigung bei dem Arbeitgeber tatsächlich dringende betriebliche Gründe entgegenstanden – und zwischenzeitlich keine andere Teilzeittätigkeit gefunden haben, wäre Arbeitslosengeld nachzuzahlen, ohne dass erkennbar ist, wie die Zeit bis zu einem solchen Urteil überbrückt werden kann, wenn nicht durch Beihilfe zum Lebensunterhalt. Dem wird aber häufig das Familieneinkommen, also die Bedarfsgemeinschaft, entgegenstehen.

Tip: Rechtzeitig die Teilzeittätigkeit beim eigenen Arbeitgeber beantragen und in jedem Fall für den Fall der Ablehnung einen Nachweis über dessen generelle und unwiderrufliche Zustimmung zur Tätigkeit während der Elternzeit bei anderen Arbeitnehmern oder ein Nachweis, dass der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt, und bereits deswegen generell kein Anspruch auf eine Teilzeittätigkeit während der Elternzeit besteht, einholen. Dann sollte sofort der Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld bei der zuständigen Behörde gestellt und gegebenenfalls (auch wenn es praktisch ärgerlich ist) eine Klage auf Verringerung der Arbeitszeit gegenüber dem Arbeitgeber eingereicht werden. Ist diese erfolgreich, ist das Verfahren auf Erteilung von Arbeitslosengeld hinfällig. Ein gerichtliches Verfahren auf Zustimmung zur Verringerung der Arbeitszeit vor dem Arbeitsgericht kann im Gegensatz zum sozialgerichtlichen Verfahren relativ zügig durchgeführt werden. Wird im arbeitsgerichtlichen Verfahren rechtskräftig festgestellt, dass der Teilzeittätigkeit während der Elternzeit dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstanden, kann dies auch im sozialgerichtlichen Verfahren eingebracht und dieses beschleunigt werden.

Wichtig: Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld ist die Versicherungspflicht des Arbeitnehmers, die bei dem Arbeitnehmer in Elternzeit nur bis zur Vollendung des dritten Jahres des zu erziehenden Kindes vorliegt, so dass bei einer Verlängerung der Arbeitszeit über dieses dritte Lebensjahr des zu erziehenden Kindes hinaus die Versicherungspflicht entfallen kann (§ 26 II Nr. 2 a) SGB III). Dann ist die Frage, ob ein sich in Elternzeit befindlicher Arbeitnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis zu seinem Arbeitgeber steht, hinfällig.

(c) Christoph Strieder, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Leverkusen / Solingen, Fachanwalt für IT-Recht, fachnwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Zu Anti-Banner hinzufügen

Kommentare